Grüazi / ¡Hola!


Seit September 2010 lebe ich in Bolivien, in der Nähe von Santa Cruz, und bin als Freiwillige in einem Strassenkinderprojekt tätig.

 

Auf einer asphaltierten Strasse geht‘s bis Cotoca (Wallfahrtsort) und danach auf einer Naturstrasse ca. 16 km weiter bis zu meinem neuen Zuhause: República de CALLECRUZ. Es war ursprünglich ein Bauernhof, bevor Pater Jorge Töppel (Schweizer) diesen als Internat und Ausbildungsstätte vor 17 Jahren für Strassenkinder erwarb. 2003 öffnete eine staatlich anerkannte Schule die Tore.

 

So lebe ich dort mit durchschnittlich 24 Buben, Betreuern und einem Landwirt, der das Vieh und die Schweine betreut. Die República wird demokratisch geführt, d.h. der Präsident wird aus den Reihen der Jungs und der externen Schüler gewählt. Jeder Bube hat einen „Pflanzplätz“, für den er verantwortliche ist, d.h. jäten, Furchen machen, anpflanzen und vor allem bewässern. Bis wir das mit Solarenergie betriebene Bewässerungssystem haben werden, wird das benötigte Wasser mittels Strom aus 36m Tiefe in den Tank gepumpt.

 

Ich denke, dass ich im richtigen Zeitpunkt in meiner neuen Heimat angekommen bin. Die Mehrheit der Gebäude war in einem ziemlich desolaten Zustand. Auch hatten fast die Hälfte der Fenster keine Scheiben und die Matratzen mussten dringend ersetzt werden. Was ich jedoch als erstes mit einer Spende von meinen Freunden in Angriff nahm, war das „Versenken“ der Stromkabel in den Boden am Rande des Spielfeldes der Buben. Beim Anblick des „Kabelsalates“ in der Nähe von Alteisen stockte einem fast der Atem.

 

Weil der Staat den Informatikunterricht als obligatorisch erklärte und wir fünf Computer von einer europäischen Organisation erhielten, musste ein sogenanntes Telezentrum errichtet werden. So nahm ich nach und nach weitere werterhaltende Projekte in Angriff. Das nächste Projekt ist ein Bewässerungssystem, das mit Solarenergie betrieben wird. Für dieses Projekt und für weitere nachhaltige Projekte, mit denen wir die Unabhängigkeit der República anstreben, fehlt noch das Geld.

 

CALLECRUZ arbeitet auf zwei Ebenen. Die República de CALLECRUZ (oben erwähnt) ist der Ursprung, um Buben ein DAHEIM zu bieten. Bei der zweiten Ebene handelt es sich um das nachfolgend beschriebene und immer wichtiger werdende Präventionsprogramm NATs.

 

Ein Team arbeitet präventiv in der Stadt „auf der Strasse“. Es besucht öffentliche Plätze und nimmt Kontakt mit arbeitenden Kindern und Jugendlichen auf. Meistens arbeiten sie, um für ihre Eltern, Geschwister etc. zu sorgen.

Bild: Dies sind zwei Studentinnen aus dem Präventionsprogramm NATs (Entwicklung und Integration für Buben, Mädchen und Jugend- liche, die auf öffentlichen Plätzen arbeiten / niños, niñas y adolescentes trabajadores).

Wir versuchen soviele wie möglich aufzufangen, bevor sie mit Schnüffeln, Drogen- oder Alkoholkonsum beginnen. Die Sozialarbeiter nehmen alle Daten auf und besuchen mit ihnen ihr Zuhause. Zusammen mit den Eltern, Grosseltern oder Tanten (je nachdem) kommen sie ins Büro von CALLECRUZ. Die Unterstützung ist moralischer und materieller Natur, indem wir z.B. das Schulmaterial zur Verfügung stellen.

 

Bis Ende 2012 wurde dieses Vorbeugeprogramm für arbeitende Kinder und Jugendliche, während mehr als 10 Jahre, von einer europäischen Organisation finanziert, was ab 2013, aufgrund der europäischen Sparmassnahmen, nicht mehr der Fall ist. D.h., dass CALLECRUZ ab diesem Jahr für die Finanzierung zuständig ist.

 

Aus diesem Grunde fand am 5. April die Vereinsgründung in Bad Ragaz von „Strassenkinder in Südamerika / CALLECRUZ, Bolivien“, statt.

 

Der gemeinnützige Verein unterstützt und begleitet nicht nur Strassenkinder, sondern weitere hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche, speziell von alleinstehenden Müttern, auf ihrem Weg in die berufliche Tätigkeit.

 

In der ersten Phase unterstützt der Verein die Oeffentlichkeitsarbeit ausschliesslich in Santa Cruz, Bolivien. Später wird die Arbeit auf weitere Städte in Bolivien und auf ganz Südamerika ausgedehnt.

 

Der Verein wurde in Ergänzung zum Zürcherverein in erster Linie für das Vorbeugeprogramm NATs und zusätzlich für nachhaltige Projekte in der República de CALLECRUZ gegründet.

      

Bild: Juan Pablo lebte 5 Jahre in der República de CALLECRUZ. Er war faul, rebellisch und dreimal lief er davon. Kein Betreuer setzte grosse Hoffnung in ihn. Er zog nach Santa Cruz, wo er täglich (51/2 Tage in der Woche) als Gärtner arbeitet und spät abends das Gymnasium besuchte. Er hatte die Hürde „genommen“ und ich durfte am 6. Dezember 2012 an seiner Diplomfeier teilnehmen. Nicht nur Juan Pablo, sondern das ganze CALLECRUZ-Team war überglücklich. Vermutlich nimmt er dieses Jahr das Studium als Agronom in Angriff.

     

Dieses Beispiel zeigt, dass wir nie den Glauben an einen Jugendlichen verlieren dürfen.

 

Für eine Spende oder Mitgliedschaft (Fr. 50.-) sind wir sehr dankbar. Vergelt’s Gott.

 

 

Mit herzlichen Grüssen

Maria Widrig